Montag, 4. Juli
Alles klamm
Ich habe wunderbar tief geschlafen. Um fünf bin ich wach, strecke die Nase aus der Luke und weiß, wie ich mich kleiden muss. Ölzeug. Ich ziehe mich in aller Ruhe an, koche mir einen Kaffee für auf den Steuerstand, zum Ankommen im neuen Tag. Es ist grau, nass, ungemütlich, leichter Nieselregen, Peter fährt nur mit Groß auf Reff drei. Der Backbord-Motor schiebt mit und bringt Agate auf 6 Knoten. Um halbsechs löse ich Peter ab.
Seit zweieinhalb Tagen keine Sonne. Mal regen, mal nieseln, mal trocken und doch so ein nasser Wind, dass selbst die Kleider in den Schränken Klamm werden. Mein Betttuch ist schon seit Martinique Klamm. In der Karibik vom Schweiß, unterwegs vom übergekommenen Salzwasser.
Um elf sehen wir Delfine. Ziemlich kleine, aber viele, vielleicht sind sie beim Schulausflug und lernen was über die, vor denen sie sich in acht nehmen müssen. Neugierig sind sie diesmal. Schwimmen ganz nah mit dem Schiff, flitzen vorbei und kreuzen Agathes Bug, springen immer wieder hoch. Es ist ein Augenschmaus.
Landfieber
Noch 338 Seemeilen bis Horta. Allmählich werden die beiden unruhig. Wir schließen Wetten ab, wann wir ankommen. Einig sind wir uns, dass wir es bis Donnerstag-Nachmittag schaffen. Zwischen 14 und 19 Uhr liegen unsere Voraussagen.
Kat-Segeln ist Luxus
„Welch ein Luxus“, kommt mir gerade in den Sinn. Andere Segler wären froh, mal eine halbe Stunde in den warmen, bequemen Salon zu können. Auf Einrümpfern hat man im Cockpit weniger als den halben Platz, im Salon mindestens 30% weniger. Wir haben eine anständige Energieversorgung mit neuen Batterien, mit Solaranlage und Windgenerator. Wasserboiler, Meerwasser-Entsalzungsanlage, zwei geräumige Kühlschränke, einen Herd mit Backofen, vier geräumige Doppelkabinen mit eigener Nasszelle, eine Klimaanlage und das alles für drei Mann.
Nur einen einfachen Weltempfänger haben wir nicht. Der gehört eigentlich auf jeden Hochseekahn, wenigstens, um die Großwetterlage zu hören, vielleicht auch ein paar Nachrichten aufzuschnappen.
Ich gehe raus und stelle mich an die Wanten, schaue und genieße. Muss nicht mal was sehen. Ich höre ein Platschen, ein außergewöhnliches, nochmal, da sind sie wieder. Delfine! Sie kreuzen in einem Affenzahn den Bug. Offensichtlich sind sie noch nicht ganz wach, vielleicht gerade erst aufgestanden, sie wollen nicht richtig springen, zeigen immer nur ihren Kopf und die Rückenflosse. Die Vorstellung ist auch schnell wieder vorbei.
Menschlich
Man begegnet immer den richtigen Menschen im Leben. Wenn ich bedenke, dass ich vor knapp drei Wochen kurz vor der Abreise stand, ich mir nicht vorstellen konnte, dass wir nochmal ein gutes Team werden können, mir dann doch einen Ruck gegeben habe, weil das Segeln über den Atlantik für mich so wichtig war. Es war mehr, als nur mein Traum, der in Erfüllung ging.
Wenn ich mit Menschen zusammen bin, die mir nicht liegen, lasse ich sie links liegen. Muss ich mir ja nicht antun. Wenn ich aber diese Möglichkeit nicht habe, nicht einfach abhauen kann, den anderen nicht einfach ignorieren kann, weil wir auf Gedeih und Verderb für die nächsten drei Wochen zusammenarbeiten müssen, muss ich mich mit ihm, nein, mit mir auseinandersetzen. Das war neu für mich. Die letzten Wochen waren eine wichtige Lektion.
Beim anschließenden Gin Tonic bedankte ich mich bei den beiden für die tolle Kameradschaft an Bord, bei Johann speziell für seine Geduld mit mir. Ja, mit ihm hatte ich mich immer wieder gekabbelt. Wegen seglerischer Entscheidungen, wegen seiner lockeren, aber unverbindlichen Art, den leeren Versprechungen. Das war bestimmt nicht einfach für ihn. Er hat meine Entschuldigung angenommen. Das freut mich. Vor drei Wochen wäre diese Wende für mich undenkbar gewesen. Darauf stoßen wir gemeinsam an.
Johann ist ein Menschenfreund, nimmt das leben leichter. Man kann ihn kaum aus der Ruhe bringen. Darum beneide ich ihn. Wir sind eben alle unterschiedlich. Gut so. Und noch besser, wenn man die anderen akzeptieren kann, wie sie sind.