9. Die letzte Etappe: Horta – Porto

9. Die letzte Etappe: Horta – Porto

Aufbruch

Wir tanken noch Süßwasser und um 12.45h legen wir in Horta ab. Es wird entspannter mit vier Mann. Ich freue mich darauf.

Die erste Wache übernimmt Franz. So kann er sich bei Tageslicht ans Schiff gewöhnen.

Franz hat sich gut integriert ins Team. Aber man spürt immer wieder, dass ihm die ersten drei Wochen fehlen. Die alte Crew geht einfach anders miteinander um, vertrauter. Wir sprechen oft von Dingen, die er nicht kennt. Ich glaube, er nimmt es gelassen.

Fünf Tage Flaute

Dienstag, 12. Juli

2.30 Uhr, seit einer guten halben Stunde bin ich wach. Ich höre den Motor brummen und die Segel schlagen. Es hat sich also nichts geändert. Typisches Azorenhoch. In einigen hundert Meilen Umkreis kaum Wind. So hat es Johann schon beschrieben. Nach der 7- Tage Prognose vom Sonntag, wird uns die Flaute bis Freitag treu bleiben.

Aber diese Wettervorhersagen lassen ja doch noch hoffen, weil sie nur selten gestimmt haben. Vielleicht hat Johann ja nur in eine Glaskugel geschaut. Die Trefferquote wäre die gleiche.

DSC03150Stille – Weite – Andacht

Mittwoch, 13. Juli

Mit einem Kaffee in der Hand löse ich Peter ab. Alles beim Alten. Das Vorsegel flattert lustlos hin und her, weiß selbst nicht, wo der Wind herkommt.

Ich verdrücke mich wieder aufs Vorschiff. Andächtige Stille. Gerade jetzt, wo das Wasser so glatt, so friedlich ist, der Dunst den Horizont nicht erkennen lässt, berührt mich diese Weite besonders. Gerade jetzt, wo nichts passiert, keine Delfine zu sehen, keine Wolkenbilder zu erkennen, keine Sonne und keine Wellen da sind, ist mir das Meer so nah.

Was fesselt mich so am Ozean? Warum hat es mir das Meer so angetan? Großartig, wunderbar ist es auch in den Bergen. Auch da fühle ich mich wohl. Unendlichkeit kann man auch in der Wüste erleben, da berührt sie mich weniger.

Vielleicht ist es das Gefühl von Eins sein mit dem Universum, von sich ergeben, das Gefühl von Ungewissheit. Wenn sie sein darf, hat das irgendwie mit Freiheit zu tun. Hier reduziert sich mein Leben auf das Sein. Ich bin nicht abgelenkt, lasse mich nicht ablenken, nicht mehr als unbedingt sein muss.

Die Zeit ist mir so kostbar hier, so knapp. Wie schnell ist das wieder vorbei. Dann bin ich zu hause und wieder in meinem Alltagstrott. Was kann ich ändern, was kann ich mitnehmen von diesem Erlebnis, in den Alltag übertragen?

Oder sollte ich lieber daran arbeiten, „sozialverträglicher“, geselliger zu werden, weniger Außenseiter zu sein? Wie geht das? Wäre schön, aber bin ich dann noch bei mir?

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„Wale, Wale“! Franz schreit vom Steuerstand aus. An Steuerbord achtern in nur 100 m hat er zwei Fontänen gesehen und ein bisschen was vom Rücken. Mehr nicht. Als wir kommen, schauen wir ins Leere. Damit hätte ich hier gar nicht gerechnet, auf 41 Grad Nord, etwa 480 Seemeilen vor Portugal.

Samstag, 16. Juli

2.30 Uhr. Ich ziehe mich dick an, gefeit vor dem kalten Wind, den ich schon von gestern Nacht kannte. Der Wind weht aus Nordost mit 18-20 Knoten, in Böen 25. Das sind gerade mal 5-6 Beaufort. Aber es fühlt sich am Wind viel dramatischer an. Die Wellen sind auf drei bis vier Meter angewachsen und bremsen unser Schiff. Wir machen hoch am Wind gerade 5 Knoten.

Auf der ersten Etappe konnte Agate bei achterlichen Winden die Wellen hinunter surfen, sich tragen lassen. Jetzt muss sie durch die Wellen, über die Wellen. Das bedeutet ein ziemlich unangenehmes Stampfen. Selbst auf dem Kat fliegt alles herum, was nicht gesichert ist. Tagsüber macht es mir Spaß, auf der Cockpitbank zu stehen, mich festzuhalten und die ankommenden Wellen bzw. das Schaukeln auszubalancieren. Nachts sehe ich nichts, da kann das ungesichert ins Auge gehen.

Der Wind bläst mir ist Gesicht. Ich bin eingepackt bis auf die Augen. Aber die Brille bringt keinen wirklichen Schutz vor dem Wind. Da tränen mir die Augen…

Porto im Nebel versteckt

Montag,18. JuliDSC03786

Um halb sieben hält mich nichts mehr im Bett, nicht mal die Müdigkeit. Ich will raus. Mit einem Kaffee in der Hand wollte ich aufs Vorschiff. Heute Nacht hatten wir noch gute Sicht. Jetzt ist dichter Nebel, Sichtweite 50 Meter. Wir fahren nach Radar, blind im Nebel. Ausgerechnet jetzt kreuzen wir offensichtlich die Schifffahrtsroute Nord-Süd. Zeitgleich sehen wir auf dem Radarschirm bis zu vier Schiffe in bis zu 13 Seemeilen. Keine gefährlichen Annäherungen. Offensichtlich sehen Sie uns. Wir können am Bildschirm ihren Kurs, Peilung und Geschwindigkeit ablesen.

Erst 8 Seemeilen vor Porto bekomme ich Handyempfang. Ich rufe Gabi an und wir verabreden uns für den Abend zum Telefonieren. Sie hat schon nach Flügen geschaut. Es ist immer noch dichter Nebel. Sichtweite nur noch 50 Meter. Die ganze Zeit musste ein zweiter Mann vorne stehen und Ausschau halten.

DSC03816Um 16.00 Uhr sehen wir plötzlich die Hafeneinfahrt von Leixos, südlich von Porto. Die Anfahrt ist abenteuerlich. Wir sehen eigentlich gar nichts, müssen uns Meter für Meter nach vorne kämpfen. Plötzlich reißt der Nebel auf und wir sehen einen Badestrand vor uns, daneben den Industriehafen und sind schon in der breiten Einfahrt. Um 16.10h legen wir an. Damit ist die Überquerung des Atlantiks beendet. Wir stoßen gemeinsam darauf an. Dann duschen wir, bringen den Abfall weg, räumen etwas auf. Um 17.30h kommt der Eigner direkt vom Flughafen, wir erzählen, trinken ein gemeinsames Bier. Johann hat seine Kabine geräumt. Da zieht der Eigner ein.

Am nächsten morgen holt uns um halb fünf das Taxi zum Flughafen ab. Um sieben geht der Flug, 10.00 Uhr jn Stuttgart. Von da mit dem Fernbus nach Mannheim. Gabi holt mich ab. Was danach kommt, gehört nicht hierher…

Ein Jahr danach ist das Buch zu dieser Reise erschienen: Besinnung unter Segeln

2019-03-15T10:11:16+02:00

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