Jetzt aber wirklich los – San Martin Richtung Bermuda
Samstag, 18. Juni
Wir frühstücken gemeinsam und spulen unser Programm ab. Wir müssen uns sputen, damit wir um 10.30 an der Brücke sind.
Wir sind durch die Brücke und setzen die Segel. Wind aus NNE mit 18 Knoten, General-Kurs 10 Grad.
Ach, bin ich froh. Nach den zwei Wochen Getrödel endlich auf See zu sein. Die Wellen sind gar nicht so hoch, vielleicht eineinhalb Meter. Aber sie schütteln uns auf am-Wind-Kurs kräftig durch. Das hindert mich nicht, zu duschen.
Wasser in der Bilge
Um 21.30 Uhr piepst ein Alarmsignal. Es ist die Bilgepumpe an Backbord, deren Schwimmer manchmal hängen bleibt. In der Bilgepumpe steht ziemlich viel Wasser. Wo kommt das her? Übermäßig Wasser in der Bilge macht einen Skipper nervös. Morgen früh müssen wir nachsehen, wo das her kommt.
An Schlaf ist nicht zu denken. Das Schiff fährt zu unruhig, stampft, schaukelt auf seinen zwei Rümpfen. Ich drehe mich alle zehn Minuten mal nach rechts, mal nach links, mal auf den Rücken. Plötzlich ein höllischer Schlag. Der Bug ist diesmal tiefer eingetaucht und ich bin klitschnass. Der Schwall hat genau im „richtigen“ Winkel den Weg durch die 5cm geöffnete Luke in meine Koje gefunden.
Wir auf die Suche nach der Wasserquelle in der Backbordbilge….
Johann schaut ziemlich ernst, sein Dauerlächeln ist verblasst. „Wir werden das genauer beobachten. Wenn wir in den nächsten fünf Tagen feststellen, dass sich die Wassermenge in der Bilge vergrößert, fahren wir Bermuda an und lassen das Schiff dort stehen“. Er ruft den Eigner per Satellitentelefon an und bereitet ihn scheibchenweise darauf vor. Gefahr besteht jedenfalls noch nicht.
Heiß und stickig
Montag, 20. Juni
Um sechs bin ich wach, um halb sieben stehe ich auf. Die Sonne steigt auf. Da ist es in der Kajüte nicht mehr auszuhalten.
Heute haben wir strahlend blauen Himmel mit ein paar zarten Quellwölkchen. Die Sonne brennt wieder mit voller Kraft herunter. Bei 16 Knoten Wind machen wir 7-8 Knoten Fahrt. Agate läuft wie auf Schienen.
Dienstag, 21. Juni
Der Mond wird schwächer. Es dämmert jetzt schon um 4.30 Uhr und langsamer. Man merkt, dass wir schon 11 Grad nach Norden gefahren sind, also ca. 660 Seemeilen. Nachts sitze ich immer noch in T-Shirt und Bermudahose am Steuerstand. Es ist angenehm, erfrischend. Jedenfalls schöner als in der Koje.
Die sind wirklich vogelfrei. Das wird mir klar bei dem Gedanken, dass sie nichts brauchen. Die Schöpfung hat Ihnen alles gegeben. Ein wunderschönes Kleid, das ihnen steht und sie schützt vor Nässe, Hitze und Kälte. Die brauchen keine Plastikklamotten, kein Polyester oder Nylon und auch keine Modenschau. Sie finden ohne GPS wieder nach Hause und das schaffen sie aus eigener Kraft. Sie machen sich keine Sorgen um ihre Zukunft. Sammeln oder jagen ihre Nahrung, bauen ihre Häuser aus Naturmaterialien und machen nicht mal Schulden dabei. Vögel brauchen keine Therapeuten, keinen Strom und keine Handys…
zwei Golddoraden
…Ich komme hoch, um mir eine Wasserpumpenzange zu holen. Draußen sehe ich wieder Vögel. Sie kreisen ungefähr 100 m hinter unserem Schiff. Ganz tief. Suchen die was? Das erinnert mich daran, als ich in Kroatien mal mit einem Fischer herausgefahren bin. Die Vögel waren richtig aufdringlich, lästig. Mein Blick fällt auf die Angelrute. Die ist gebogen bis zum Anschlag. Da hängt ein Fisch dran und die Vögel wollen was abhaben.
Ich sag es Johann. Der stellt auf Autopilot und das gleiche Spiel wie vorgestern beginnt. Ran holen, landen, Rum in die Kiemen, ein, zwei Stiche hinter dem Kopf ins Herz, dann die Filets herausschneiden, fertig. Die Filets sind im Kühlschrank. Es war eine Golddorade. Ein schöner Fisch, ohne Schuppen. Und ohne Zähne, ist kein Raubfisch. Die Angel ist routinemäßig wieder draußen.
Nach zwei Minuten ein hallo an Deck. Ich eile nach oben und Johann ist mit Peter schon wieder an der Angel zugange. Wieder eine Golddorade, wieder knapp einen Meter.
Diese unendliche Weite…
Die Sonne verschwindet gerade über dem Horizont unter dichten Quellwolken, deren Ränder sie märchenhaft anstrahlt. Nach und nach verabschieden sich Johann und Peter in die Koje. Jetzt bin ich wieder alleine.
Ich atme tief durch, freue mich, hier zu sein und genieße den Augenblick. Ich versuche, an gar nichts zu denken, das Hirn mal nicht arbeiten zu lassen. Einfach nur nachspüren. Ist gar nicht so einfach, sollte ich üben. Das macht den Kopf frei.